Hitzekoller

18. Juli 2007

„In the summertime when the weather is high, you can stretch right up and touch the sky… Have a drink, have a drive, go out and see what you can find“ sangen einst Mungo Jerry. Lange her. Heute wird man mit der Aufzählung grosser Namen und dem Einsatz noch grösserer Marketing-Prügel zu diversen Sommer-Musikspektakeln getrieben. Oder widersetzt sich entschieden der Festivalitis.

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Nein, ich fahre heuer nicht zum „FM4 Frequency“-Festival nach Salzburg. Und vom „Nova Rock“ auf den glühend heissen „Pannonia Fields“ nahe dem burgendländischen Nickelsdorf bin ich nach etwa zwei Stunden gepflegter Fadesse wieder geflüchtet. Ich schätze, ich bin aus dem Alter draussen, in dem man es cool findet, überteuerte Festivalpässe zu sammeln wie andere Panini-Pickerl. Mehr noch: die Spezies „sommerliches Mega-Musikspektakel“ insgesamt geht mir inzwischen kräftig gegen den Strich. Und mächtig auf die Nerven.

Warum? Erstens: die Musik ist längst mehr Beiwerk als Hauptsache. Quantität rules. Die Line-Ups lesen sich wie Pop-Supermarkt-Sonderangebots-Flugzettel, da kracht ungeniert Calexico auf Silbermond, genommen wird, was zu kriegen ist (nur, gottbewahre!, keine österreichischen Bands), und klingen tun die mikroskopisch kleinen Figuren auf der kilometerweit entfernten Bühne je nach Windrichtung und Gigawattstärke einmal nach Seegrotte, dann wieder nach Ballermann. Für sensiblere Ohren fast durchwegs eine Katastrophe.

Zweitens: wer Canettis „Masse und Macht“ gelesen hat, dem graut’s vor derlei Massenaufläufen generell. Man muß schon Herdentier oder Komatrinker oder ein besonders abgebrühter Fan sein, um aus der Masse an Sommer-Festspielen (von Klasse kann nur in Ausnahmefällen die Rede sein, wie etwa, dem Hörensagen nach, beim „State Of The Heart“-Festival in Wiesen oder dem „Temp“-Elektronik-Zeltlager in Greifenstein) ein Quentchen Distinktionsgewinn herauszukitzeln.

Natürlich, für die Veranstalter sind derartige Monsterspektakel fast durchwegs Gelddruckmaschinen. Warum aber ungenierte Abzocke und weitgehende Sinnentleertheit bei der heutigen Generation nicht auf Widerspruch stossen, verwundert denn doch. Ist das „Alternative Mainstream“-Publikum eine durchschnittlich dumpfe Hedonistenversammlung? Oder gehört es mittlerweile zum guten Ton der kulturkreativen Sommerfrische, Zombie-Kirtage wie das „Lovely Days“ oh so lovely zu finden und Kuriosa wie das „Last Day Out Festival“ auf der Burg Clam nicht schlicht als banale Gegenveranstaltung zum traditionellen „Two Days A Week“ zu erkennen?

Nebstbei: warum Jazz-Feste anno 2007 zwar mittlerweile Grossaufgebote alternder Pop-Legenden herbeikarren, aber kaum noch Jazz im Angebot haben, muß man mir auch mal erklären. Und über die Platzhirschenversammlung und Künstlerauswahl beim Donauinselfestival, dem grössten Rummelplatz Europas, könnte ich bei Gelegenheit auch noch ein paar Worte verlieren.

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Eine Antwort zu “Hitzekoller”

  1. kmslavik Says:

    Ach wie lieblich und wie gut,
    den Gröbchen mal zu lesen,
    wie er mit Anstand und mit Mut,
    zerzaust das Festival-Unwesen.

    Nun ja, das rechte Reimmaß mag’s nicht sein, dafür aber große Freude über den Inhalt deines Artikels. Und richtig: Gereifter und eventuell gut interpretierter Pop (Rebekka Bakken, Norah Jones, Jamie „Oliver“ McCullum) ist noch lange nicht Jazz. Auch wenn’s die Herren der Major und nicht ganz so Major Labels gerne so hätten

    Keep on!


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