Oh Lord, Won’t You Buy Me…

16. Oktober 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (381) Ab sofort das Dilemma jedes Motor-Journalisten: wie sage ich’s meinen Lesern? Zukunftstauglichkeit als neuer Imperativ – ein elektrifizierendes Thema.

mercedes-e-klasse

Früher war alles einfacher. Scheinbar zumindest. Ein Auto war ein Auto war ein Auto – und es wurde als greifbare, fahrbare, letztlich weithin leistbare Einlösung des Fortschritts- und Freiheitsversprechens wahrgenommen. Sozialer Aufstieg materialisierte sich nicht nur, aber auch als motorisierter Haufen Blech. Und ein Mercedes galt, wenn ich mich recht erinnere, als besonderer Ausweis finanzieller und sonstiger Potenz.

Bekennenderweise besaß ich eine zeitlang, es ist gar nicht so lange her, einen Mercedes-Benz der Baureihe W123. Es war eine 230er-Limousine in Lindgrün, die sich fuhr wie ein Donauschleppkahn und Benzin soff, als hätte ihr Hersteller nie etwas von der Ölkrise der siebziger Jahre gehört. Der Kilometerstand war erstaunlich niedrig, weil der Vorbesitzer damit quasi immer nur zum Jahresservice in die Werkstatt (und wieder retour) rollte, der Wagen sonst aber hauptsächlich in der Gegend herumstand.

Ein wirkliches Oldtimer-Liebhaber-Exemplar. Nachhaltigkeit pur. Ich hab’ es trotzdem verkauft, mit Gewinn – ich nenne nun mal keine Datscha mit Riesen-Tiefgarage mein eigen. Und auch, weil bei jedem Zwischstopp, vor allem am Land, die Kaufangebote mit Anmerkungen wie „Ans der letzt’n guat’n Autos!“ nur so durchs Vorderfenster schneiten.

Was ist nun anno 2016 ein gutes Auto? Ich meine damit vorrangig: ein vernünftiges Vehikel. Eines, das unseren im Vergleich zu jener Hochblüte der Massen-Mobilisierung durch Technik heute weit kritischeren Zeitgeist im Hinterkopf hat, auf die Vorzüge des motorisierten Individualverkehrs aber nicht verzichten mag. Im Sommer fuhr ich also im Rahmen einer kleinen Testreihe einen aktuellen Mercedes: eine E-Klasse-Limousine. Eigentlich wollte ich das brandneue Kombi-Modell T (weil vordergründig geräumiger und mithin vernünftiger), aber die E-Klasse ist durch die Bank der Urmeter luxuriöser Basis-Fortbewegung. Und sie repräsentiert den Stand der (Diesel-)Technik. Absolut. Dachte ich. Bis vor wenigen Tagen.

Sie haben es auch gelesen: Deutschland will ab 2030 keine Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr neu zulassen. Sowohl SPD- wie unionsregierte Bundesländer befürworten ein Verbot für nicht emissionsfreie Antriebstechnologien. Die Grünen sind sowieso d’accord, nur die Gewerkschaften (General-Argument: Arbeitsplätze!) und Mercedes-Chef Dieter Zetsche sind vorerst dagegen. Österreich wird, egal was Provinz-Politiker heute verkünden, mitziehen. Ich werde also meine Kolumne zur E-Klasse nochmals überdenken. Unter dem strikten Imperativ der Zukunftstauglichkeit. Die Gegenwart ist, perdu!, schon Vergangenheit.

3 Antworten to “Oh Lord, Won’t You Buy Me…”


  1. […] anderen Hersteller stehen mehr denn je unter Zugzwang. Einige haben ihre Hausaufgaben schon gemacht: so waren etwa BMWs Elektromobile und -Visionen vielfach präsent in London, sogar in […]


  2. […] deutscher Ingenieurskunst erwartet“, lese ich im Prospekt. Ehrlich gesagt: ich erwarte mir da mehr. Und doch ist es, abseits aller Diesel-Bedenken, zutreffend: weil dieses Modell (wie alle anderen […]


  3. […] (und bin mit etwas Müh’ und Not zurückgekommen). Jetzt aber sitze ich gerade in einer – pardon, Mercedes! – roten S-Klasse von Tesla, Version: P100D (das ist die allerstärkste) und sause damit gen […]


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