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Frühjahrsputz

1. April 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (402) Bei nächster Gelegenheit könnte auch die CD-Sammlung ausgemustert werden? Nur, wenn man nicht an Dingen, Hüllen, Erinnerungen hängt.

Aufstieg

Ich entnehme die Themen, die hierorts verhandelt werden, ja gerne der Bassena des 21. Jahrhunderts: Facebook. „Die großen Fragen des Lebens“ riss dort etwa die Autorin Sibylle H. neulich an, freilich mit einer Portion Selbstironie. Denn es ging um eher Profanes. „CDs sämtlich entsorgen und Spotify?“ lautete ihre Frage an die kommunikationshungrige Meute. „Oder doch nicht? Erfahrungsberichte, bitteschön.“

Aber gern doch. Rasch wogte die Debatte. „CDs sind auch schön zum Anschauen“, meinte eine Freundin. „Ich würde sie vermissen“. Unterstützung fand dieser Standpunkt von deutlich originelleren Stimmen: „Für jede CD, die man weggibt, stirbt irgendwo auf der Welt ein Kätzchen.“ Andere rieten zur dringenden, weil zwingenden Sublimierung der Tonträger, die vor gerade mal dreißig Jahren noch das Nonplusultra der digitalen Moderne verkörperten. Motto: „Ich habe alle CDs entsorgt und bin ein glücklicherer Mensch“.

Wankelmütige Geister suchten dagegen Zuflucht in pragmatischen Lifestyle-Modellen: „Spotify ist super, um in Neues reinzuhören und seine niederen Musikgelüste zu befriedigen.“ Aber: „Es ist nochmals ein anderes Gefühl, eine CD oder Schallplatte aus der Hülle zu nehmen und feierlich abzuspielen.“ Eine notorische Ö1-Hörerin stolperte mitten in die Diskussion mit der doch verblüffenden Frage: „Was ist Spotify?“. Geschenkt. „Leider machen – so oder so – nur Radikallösungen Sinn“, merkte der gestrenge Musikkritiker an (es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er Hubert von Goisern-CDs rituell verbrennt). Letztlich, ein Tenor, sei alles Geschmackssache.

So ging es hin und her. Ich lachte ein wenig still in mich hinein. Und musste an eine Meldung denken, die mir kurz zuvor untergekommen war. Sie lautete: Erstmals in der Geschichte der US-Tonträgerindustrie sind mehr als die Hälfte der Einnahmen aus Streaming-Lizenzen erzielt worden. Tatsächlich rangieren Spotify, Apple Music, YouTube & Co. (über letzteres Angebot wird noch zu reden sein) aktuell bei 51,4 Prozent aller „Revenues“, also Geldrückflüsse, Downloads machen unter einem Viertel aus, physische Tonträger – darunter auch der in der Nische boomende Absatz von Vinyl – gar nur mehr 21,8 Prozent.

In den USA, wohlgemerkt. Hierzulande ist man konservativer. Aussterben wird die CD nicht ganz und gar so schnell – aber die Zahlen, Kurven und Trendanalysen sprechen Bände. Online-Radio, das in Amerika auch schon ein wesentlicher Faktor ist, gilt in Österreich als Exotikum. Noch. Facebook scharrt schon in den Startlöchern. Und doch sind alle Zweifel über den finalen Siegeszug der Digitalfraktion auch 2017 längst nicht ausgeräumt.

Dass Spotify durch die Bank quasi als Synonym für Streaming-Dienste genannt wird – Gratulation an die Spotify-Marketingabteilung! -, ist wahrscheinlich eine Altersfrage. Erwachsene, die die direkte Konkurrenz meist gar nicht kennen, mögen Werbeeinschaltungen und das kreative Chaos von YouTube wohl weniger – auch wenn es gratis ist (und dabei für die Künstler geheimgehalten niedrige Summen via AKM, GEMA & Co. abwirft). Jugendlichen ist’s egal.

Mir auch: es darf jeder nach seiner/ihrer Facon glücklich werden.

Abgesang

9. Dezember 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (389) Die Handelskette Libro will sich aus dem Geschäft mit Tonträgern und DVDs zurückziehen. Ernsthaft?

libro

Man wird mir bei dieser Kolumne Eigeninteressen – in meiner hauptberuflichen Rolle als Label-Betreiber und Musikproduzent – nachsagen. Aber sie sind, wenn überhaupt, nur am Rande gegeben. Ich schreibe diese Epistel vorrangig als Konsument. Als jemand, der es schätzt, dass es in vielen Städten, Märkten, Bezirken Österreichs noch Nahversorger gibt. Also Geschäfte, in denen man Lebensmittel, Kleinkram und Dinge des täglichen Bedarfs erwerben kann, ohne einen Tagesausflug an den Stadtrand planen zu müssen.

Zu meinen persönlichen Über-Lebensmitteln zählen freilich auch Papierprodukte wie Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, weiters Batterien, Schreibstifte, Technik-Accessoires und, ja, Filme und Musik. Hier kann ich auf eine privilegierte Situation bauen: im 7. Wiener Bezirk gibt es Elektronikmärkte, Plattenläden und Bürowarenspezialisten sonder Zahl. Wenn ich aber zu meiner Mutter ins nördliche Weinviertel fahre, wird mir die Misslichkeit der schwindenden Nahversorgung rasch bewusst. Was es in Hollabrunn grad noch käuflich zu erwerben gibt, ist in Retz schon ein fragliches Gut.

Apropos: nutzen Sie noch CDs und DVDs? Weit mehr als die Hälfte der Österreicher/innen tun das. Ungebrochen. Nun: es hat sich noch nicht weiter herumgesprochen, ist in der Branche aber kein Geheimnis mehr – der heimische Handelsriese Libro plant, 2017 keine CDs mehr in die Regale zu stellen. Ausser eventuell eine Handvoll Kinder-Produkte und Charts-Giganten. DVDs stehen „unter Beobachtung“, wie es firmenintern heisst. Man will sich mittelfristig wohl komplett aus dem Geschäft mit Bild- und Tonträgern zurückziehen.

Nun ist Libro nicht irgendeine Kette. Im Non Food-Bereich hat das aktuell 241 Filialen und 1600 Mitarbeiter zählende Unternehmen österreichweit fast ein Monopol. Und einen überproportionalen Marktanteil bei Schlager- und Volksmusik-CDs, Middle of the Road-Pop und Charts-Compilations. Nicht gerade das Repertoire, das ich persönlich höre. Aber: Mitnahmeartikel bleibt Mitnahmeartikel. Und sei es als billiges Geschenk. Warum also will das Management freiwillig auf einen Umsatz- und Frequenzbringer verzichten? Hat man ein geheimes PR-Abkommen mit Amazon abgeschlossen? Andersrum (und härter) gefragt: glaubt man noch an die eigene Zukunft?

Die revolutionäre Digitalstrategie der Libro-Geschäftsführung ist mir, sofern existent, unbekannt. Und ich bin auch kein Experte für Groß- und Einzelhandel im Hier & Heute. Aber der Zweikampf analoges versus digitales Business – der ja, der menschlichen Natur entsprechend, nicht zwingend ein Entweder/Oder kennt – wird von einer Filialkette nicht online zu gewinnen sein. Physische Produkte mit einer aus Glamour, Marketingbudgets und Medienaufmerksamkeit gespeisten produktimmanenten Strahlkraft tolldreist zum Gerümpel von gestern zu erklären (und die leerwerdenden Regalmeter genau wofür zu nutzen?), erscheint mir dann doch wie Selbstmord mit Anlauf.

Ja, Amazon, Netflix, Spotify, also Online-Einkauf, Download und Streaming kennt man auch in Retz und Hollabrunn. Manchmal möchte man aber doch eine handfeste Silberscheibe nachhause tragen.

Ohne Schlitz

14. August 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (372) Die Zukunft der Musikindustrie entscheidet sich im fahrenden Konzertpalast: dem Auto.

Auto-CD-Player

In meinem aktuellen Testauto, einem Kia Sportage, gibt es keinen CD-Player mehr. Das wurde mir bewusst, als ich einen ganzen Schwung Silberscheiben, die ich auf dem Weg von Wien nach Goldegg (und zurück) hören wollte, kurzfristig in den Kofferraum verfrachten durfte – sie waren zu nichts nütze.

Ich hätte die CDs – zumeist selbstgebrannte mit Demos diverser Künstler, die ich von Berufs wegen hören sollte – vorher rippen und aufs Handy transferieren müssen, um der Musik die gebotene Aufmerksamkeit schenken zu können. Und, ja, bei den letzten, vergleichsweise teuren Vehikeln, die ich chauffieren durfte, gab es noch einen CD-Schlitz.

Nun ist das natürlich ein Luxusproblem. Zumal das Entertainment-Center im Kia alle Stückl’n spielt. Und noch dazu herrlich selbsterklärend ist – mit kaum einem Fahrzeug bislang gelang das Bluetooth-Pairing mit dem Smartphone so selbstverständlich wie hier. Das JBL-Soundsystem verspricht zudem eine „fortschrittliche Clari-Fi Musikrestaurierungstechnologie, welche die Qualität von MP3-Dateien verbessert und deren Klang in High Definition bereitstellt“ (Prospekttext). Sorry, das ist natürlich audiotechnisch kompletter Unsinn. Aber die Anlage klingt annehmbar und lässt sich elegant steuern. AUX- und USB-Anschlüsse sind zusätzliche Verheissungen für die mobile Discothek. Soweit wunderbar.

Für die Musikindustrie aber ist die Botschaft des rasanten Abhandenkommens von CD-Playern im Auto eine, die mit gemischten Gefühlen aufgenommen werden wird. Denn es bedeutet, dass vorbespielte Tonträger – gemeinhin Alben oder, falls es sich um eine bunte Auswahl von Künstlern und Songs handelt, Compilations genannt – auf dem absteigenden Ast sind. Zwar betrug deren Anteil am gesamten österreichischen Musikmarkt anno 2015 noch rund 70 Prozent. Die zweistelligen Zuwachszahlen bei Streaming-Abos sprechen aber eine deutliche Sprache.

Auch ältere Generationen machen sich inzwischen mit der virtuellen Jukebox auf Abruf vertraut – gezwungenermassen, wenn die KFZ-Industrie den Systemwechsel forciert. (Wer erinnert sich noch an die Zeit, als die Cassettenschlitze aus den Autos verschwanden?) Und Downloads tut sich auch niemand mehr an, wenn Spotify, Apple Music, Google Play, Deezer & Co. eh fast alle Wünsche erfüllen.

Playlists sind die neuen Compilations. Streaming ist das neue Radio. Alben sind Relikte von gestern. CDs werden bald nur noch nostalgische Staubfänger sein. Wie sangen einst Minisex? „Ich fahre mit dem Auto, alles geht so schnell.“

Anti-Ramsch-Kampagne

17. November 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (237) Helfen Sie, Licht ins Dunkel des Tonträgermarkts zu bringen – mit einer bewussten Konsumentenentscheidung.

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Der Trend zum Zweitjob hält an. Nun ist mein Hauptberuf der eines Musikproduzenten und Kulturmanagers, der Journalismus dagegen nur ein exaltiertes Hobby. Kennen Sie irgendjemanden, der vom Kolumnen-Schreiben leben könnte? Ich nicht. Die Honorare sind auf das Niveau milder Spenden oder reiner Spesenersätze gesunken – und würden meinen Installateur oder Zahnarzt vielleicht zu einem verständnislos-mitleidigen Grinsen veranlassen, mehr wohl kaum.

Aber ich will nicht klagen. Zumal der karge Lohn des Autors gelegentlich mit einem Nebenverdienst aufgefettet werden kann: Aufmerksamkeit und Eigenwerbung. Heute will ich dieses Unterkonto belasten. Und das ganz ungeniert, weil es sich um eine gute Sache handelt. „Licht ins Dunkel 2013“ heißt eine Compilation, die dieser Tage auf den Markt kommt – die silbrigglänzende CD, die einen vergnüglichen Querschnitt durch die österreichische Pop-Landschaft bietet, unterstützt die größte Spendenaktion des Landes mit fünf Euro pro verkauftem Exemplar.

Der TV-Spot, der in den Programmen des ORF nachdrücklich die frohe Botschaft verkündet, präsentiert nur einige der darauf vertretenen Namen – von Hubert von Goisern bis Christina Stürmer, von Anna F. bis Parov Stelar, von Ernst Molden & Willi Resetarits bis Conchita Wurst sind die Größen der Szene mit dabei. Selbst Andreas Gabalier steht nicht abseits. Und natürlich gibt es auch einige Newcomer und Altspatzen, Ö3-Hits, FM4-Stars und Radio Wien-Fixsterne zu entdecken. Danke dafür!

Einige Medien- und Musikmanager, deren Expertise ich durchaus schätze, haben mir allerdings erklärt, derlei mache im Jahr 2013 keinen Sinn. „Die Leute kaufen keine CDs mehr“, so ihre Prognose. „Und wenn, dann nur billige Ramschware.“ Alleine die Statistik spricht aber dagegen: noch immer werden über 70 Prozent der Musik auf Tonträgern erstanden, den Rest des Marktes teilen sich Downloads und Streaming. Die Pappenheimer, die meinen, sie müssten sich ihre Lieblingssongs gratis aus dem Netz ziehen und so die Künstler um ihren Lohn bringen (er ist tendenziell noch karger als der eines freien Journalisten), lassen wir mal außen vor.

Eine liebevoll verpackte Compact Disc oder gar eine opulente Vinylschallplatte haben schon ihre Meriten. Ungebrochen. Oder wollen Sie beim nächsten Konzert – „Licht ins Dunkel 2013“ wird übrigens am 29. November im ORF-Radiokulturhaus live präsentiert – eine gebrannte CD signieren lassen? Oder zu Weihnachten eine Handvoll MP3-Files in Geschenkpapier einwickeln? Eben. Ich freue mich auf Ihr Urteil. Es wird an der Kassa gefällt. Lassen Sie den Ramsch einfach liegen. Und bringen Sie „Licht ins Dunkel“ – mit nach Hause.

P.S.: Es gibt die „Licht ins Dunkel“-CD freilich auch bei Amazon und im iTunes Store. Und Tickets für den Radiokulturhaus-„Abend für Licht ins Dunkel“ am 29.11. gibt es hier. You’re welcome!