MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (402) Bei nächster Gelegenheit könnte auch die CD-Sammlung ausgemustert werden? Nur, wenn man nicht an Dingen, Hüllen, Erinnerungen hängt.
Ich entnehme die Themen, die hierorts verhandelt werden, ja gerne der Bassena des 21. Jahrhunderts: Facebook. „Die großen Fragen des Lebens“ riss dort etwa die Autorin Sibylle H. neulich an, freilich mit einer Portion Selbstironie. Denn es ging um eher Profanes. „CDs sämtlich entsorgen und Spotify?“ lautete ihre Frage an die kommunikationshungrige Meute. „Oder doch nicht? Erfahrungsberichte, bitteschön.“
Aber gern doch. Rasch wogte die Debatte. „CDs sind auch schön zum Anschauen“, meinte eine Freundin. „Ich würde sie vermissen“. Unterstützung fand dieser Standpunkt von deutlich originelleren Stimmen: „Für jede CD, die man weggibt, stirbt irgendwo auf der Welt ein Kätzchen.“ Andere rieten zur dringenden, weil zwingenden Sublimierung der Tonträger, die vor gerade mal dreißig Jahren noch das Nonplusultra der digitalen Moderne verkörperten. Motto: „Ich habe alle CDs entsorgt und bin ein glücklicherer Mensch“.
Wankelmütige Geister suchten dagegen Zuflucht in pragmatischen Lifestyle-Modellen: „Spotify ist super, um in Neues reinzuhören und seine niederen Musikgelüste zu befriedigen.“ Aber: „Es ist nochmals ein anderes Gefühl, eine CD oder Schallplatte aus der Hülle zu nehmen und feierlich abzuspielen.“ Eine notorische Ö1-Hörerin stolperte mitten in die Diskussion mit der doch verblüffenden Frage: „Was ist Spotify?“. Geschenkt. „Leider machen – so oder so – nur Radikallösungen Sinn“, merkte der gestrenge Musikkritiker an (es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er Hubert von Goisern-CDs rituell verbrennt). Letztlich, ein Tenor, sei alles Geschmackssache.
So ging es hin und her. Ich lachte ein wenig still in mich hinein. Und musste an eine Meldung denken, die mir kurz zuvor untergekommen war. Sie lautete: Erstmals in der Geschichte der US-Tonträgerindustrie sind mehr als die Hälfte der Einnahmen aus Streaming-Lizenzen erzielt worden. Tatsächlich rangieren Spotify, Apple Music, YouTube & Co. (über letzteres Angebot wird noch zu reden sein) aktuell bei 51,4 Prozent aller „Revenues“, also Geldrückflüsse, Downloads machen unter einem Viertel aus, physische Tonträger – darunter auch der in der Nische boomende Absatz von Vinyl – gar nur mehr 21,8 Prozent.
In den USA, wohlgemerkt. Hierzulande ist man konservativer. Aussterben wird die CD nicht ganz und gar so schnell – aber die Zahlen, Kurven und Trendanalysen sprechen Bände. Online-Radio, das in Amerika auch schon ein wesentlicher Faktor ist, gilt in Österreich als Exotikum. Noch. Facebook scharrt schon in den Startlöchern. Und doch sind alle Zweifel über den finalen Siegeszug der Digitalfraktion auch 2017 längst nicht ausgeräumt.
Dass Spotify durch die Bank quasi als Synonym für Streaming-Dienste genannt wird – Gratulation an die Spotify-Marketingabteilung! -, ist wahrscheinlich eine Altersfrage. Erwachsene, die die direkte Konkurrenz meist gar nicht kennen, mögen Werbeeinschaltungen und das kreative Chaos von YouTube wohl weniger – auch wenn es gratis ist (und dabei für die Künstler geheimgehalten niedrige Summen via AKM, GEMA & Co. abwirft). Jugendlichen ist’s egal.
Mir auch: es darf jeder nach seiner/ihrer Facon glücklich werden.